Plötzlich systemrelevant oder eben auch nicht
Was für ein unfassbar großes Gewicht ein einzelnes Wort haben kann, wurde mir erst richtig bewusst, als das Wort „systemrelevant“ in mein Leben platzte.
Corona hat unser Leben schlagartig verändert. Plötzlich sind wir nicht mehr selbstbestimmt. Man sagt uns, wen wir wann und wo treffen dürfen und ob wir zur Arbeit gehen dürfen. Letzteres ist aktuell von einem Wort abhängig „systemrelevant“. Ob du dein Geschäft auf hast oder zu machen musst, ist von seiner Relevanz für das System angängig. Mir war nie klar, dass unser Leben sich in ein System packen lässt. Wer oder was relevant für das System ist, entscheidet der Staat. Die aktuellen Lockerungen sind davon abhängig ob eine Tätigkeit oder Angebote mehr oder weniger systemrelevant sind. Autos, Fahrräder und Bücher sind nun systemrelanter als Spielwaren oder Schuhe. Warum eigentlich?
„Ich kannte das Wort „systemrelevant“ bis vor wenigen Wochen nicht. Es existierte einfach nicht in meinem Wortschatz. Plötzlich platzte es in mein Leben und ich verwende es ständig. „Wir sind systemrelevant“. Da unser Team vorwiegend aus Therapeuten besteht, fallen wir unter diese Kategorie. Das heißt: Wir haben geöffnet. Es kommen nicht mehr viele Kunden, aber wir sind da. Zumindest viele von uns. Alle die nicht im therapeutischen sondern im pädagogischen Bereich tätig sind, sind nicht systemrelevant und dürfen nicht arbeiten. Therapie ist also systemrelvanter als Pädagogik. Bedeutet systemrelevant also auch „wichtiger“ oder gar „wertvoller? Eine ganz neue Perspektive, denn bislang wurden unsere pädagogischen Angebote deutlich besser bezahlt als die therapeutischen. Wer nicht systemrelevant ist, hat also derzeit auch keine Einnahmen mehr und muss um seine Existenz bangen. Dafür kann er sicher zuhause bleiben. Menschen in systemrelevanten Berufen haben jede Menge Arbeit, aber müssen um ihre Gesundheit bangen. Systemrelevant zu sein, kann also Fluch oder Segen sein. Die Systemrelevanz entscheidet über Existenzen und manchmal sogar über Leben und Tod. Kein Wort hat aus meiner Sicht so schlagartig an Bedeutung gewonnen, wie das Wort „systemrelevant“.